Religiöse Speisegesetze
Religionen fordern bisweilen obskure und nur schwer nachvollziehbare Vorschriften für den Umgang mit Lebensmitteln. Bestimmte Speisen gelten gar als tabu. Daß viele dieser Regeln aus grauer Vorzeit heutzutage völlig überholt sind, spielt für die Gläubigen keine Rolle – es ist so Tradition und wird daher auch gemacht.
Es ist Wochenende, die Mutter bringt den Sonntagsbraten auf den Tisch. Doch vor dem Schmaus schneidet sie vom Braten beide Kanten ab und wirft sie weg. Es weiß zwar keiner warum, aber es ist eben eine Familientradition und wurde schon immer so gemacht. Aber damit wollen sich die Kinder nicht länger zufriedengeben und fragen die Großmutter. Doch auch die erklärt lediglich, es sei eine Tradition und wurde schon immer so gemacht. Zum Glück lebt auch die Urgroßmutter noch, und die hat endlich eine plausible Erklärung parat: Es war zu ihren Zeiten oftmals notwendig, von einem großen Bratenstück die Kanten abzuschneiden, weil es sonst nicht in den Topf gepaßt hätte. Alle späteren Generationen hatten diese vermeintliche Tradition dann einfach übernommen, ohne den tieferen Sinn zu hinterfragen – es wurde halt schon immer so gemacht.
Ähnliches geschieht in verschiedenen Religionen auch mit Speisevorschriften, die in irgendwelchen alten Büchern aus grauer Vorzeit stehen. Auch diese werden von den Gläubigen praktisch immer unkritisch übernommen, ohne einmal darüber nachzudenken, was davon in der heutigen Zeit überhaupt noch sinnvoll ist. Sowohl Juden als auch Muslime lehnen z. B. den Verzehr von Schweinefleisch strikt ab, obwohl es qualitativ nicht weniger wertvoll ist als Rindfleisch, Kalb, Lamm, Geflügel usw. Begründet wird dies nicht nur damit, daß es so in der jeweiligen Heiligen Schrift gefordert wird und somit das Wort irgendeines Gottes sei, sondern insbesondere mit der angeblichen Unreinheit des Schweines und vieler andere Tiere.
Doch schon diese Unterteilung in reine und unreine Tiere ist willkürlicher Unfug und zeugt von einem eklatanten Wissensmangel über das Leben und die Biologie der Tiere. Warum ein Tier wie das Schwein, welches sich zwar im Schlamm wälzt, damit aber seine Haut säubert, sich von Parasiten befreit und mangels Schweißdrüsen auf diese Weise auch vor Hitze schützt, als unrein gilt, während ein anderes wie das Rind, welches sein bereits angedautes Frühstück noch ein paar mal hochwürgt und wieder verschlingt, als rein angesehen wird, ist vollkommen unverständlich. Ganz zu schweigen von den jüdischen Speisegesetzen der Thora – die sind ähnlich komplex, willkürlich und vor allem genauso widersprüchlich wie das deutsche Mehrwertsteuergesetz. Leider werden sie auch ähnlich stur eingehalten. Und in beiden Fällen traut sich keiner, diesem Irrsinn Einhalt zu gebieten bzw. ihn auf ein vernünftiges Maß zurechtzustutzen.
Obwohl Religionsvertreter seit jeher große Probleme damit haben, derartige Ge- und Verbote zu rechtfertigen – der jeweils zuständige Gott begründet ja nichts, sondern er befiehlt je nach Lust und Laune bzw. überläßt die Interpretation der vermeintlichen Anweisungen seinem Bodenpersonal –, so mag es vor Jahrhunderten tatsächlich einen triftigen Grund gegeben haben, auf Schweinefleisch zu verzichten: Krankheiten. Es ist allgemein bekannt, daß durch verseuchtes Schweinefleisch schwere Krankheiten verursacht werden können. Insbesondere in den heißen Regionen der Erde verdirbt Fleisch sehr schnell.
Doch heute im 21. Jahrhundert kann man zumindest in der zivilisierten Welt sowohl eine gewisse Hygiene, Veterinärkontrollen als auch Kühlmöglichkeiten voraussetzen, so daß das Krankheitsargument schon seit langem keines mehr ist. Insbesondere angesichts der Tatsache, daß man dann praktisch alles verbieten müßte, da jedes Lebensmittel anfällig ist für Schädlinge bzw. Gifte und in der Vergangenheit auch bereits entsprechend aufgefallen ist:
- Schweinefleisch – Trichinellose
- Rindfleisch – BSE
- Geflügel – H5N1
- Eier – Dioxin
- Fisch – Schwermetalle
- Pilze – Radioaktivität
- Getreide – Mutterkorn
- Grünzeug – EHEC
- Früchte – Noroviren
- …
Unter strikt gesundheitlichen Aspekten ist also praktisch nichts mehr essbar. Wollen die Gläubigen verhungern? Aber auch andere Begründungsversuche laufen ins Leere bzw. müßten, konsequent eingehalten, weitere Verbote nach sich ziehen. Noch nicht einmal bei Leitungswasser kann man wirklich sicher sein, ob nicht irgendeine regenwäldlerische Baumwipfelreligion dies als „Gräuel“ und „unrein“ verabscheut. Auch das Argument, es wäre religiöse Tradition, ist bestenfalls ein geistiges Armutszeugnis. Sollten wir wieder Ketzer- und Hexenverbrennungen einführen? Oder direkt Menschenopfer? Das waren schließlich auch mal religiöse Traditionen zu Ehren irgendeines Gottes. Zum Glück wurden derartig grausame Rituale schon vor langer Zeit abgeschafft. An vielen anderen „Traditionen“ hingegen wird mit geradezu unfaßbarer Sturheit festgehalten.
Das eigentliche Problem dabei ist die völlige Unfähigkeit der meisten Religionen zur Selbstreflexion und Selbstkritik. Kaum ein Gläubiger ist in der Lage, seine ihm von Kind auf eingetrichterten Rituale und Traditionen einmal kritisch zu hinterfragen und auf ihre Sinnhaftigkeit in einer modernen Welt hin zu überprüfen. Insbesondere die alten, oftmals schon stark verfilzten und ungepflegten religiösen Zöpfe müssten endlich einmal abgeschnitten werden, doch das traut sich keiner. Oder gibt es in den meisten Glaubensgemeinschaften einfach keine fähigen Friseure dafür?
Ein mittelalterliches Schweinefleischverbot jedenfalls ist in heutiger Zeit vollkommen sinnfrei und daher strikt abzulehnen. Statt in Schulen und Kitas diesen Irrsinn auch noch zu hofieren und aus Rücksicht auf muslimische Eltern oftmals generell allen Kindern Schweinefleisch vorzuenthalten, sollte gerade bei Kindern endlich auf die Vermittlung von Wissen und Aufklärung gesetzt werden, damit sie selber eine vernunftbasierte Entscheidung treffen können. Denn nur mit rationaler Vernunft und kritischem Denken können solch überkommene Vorstellungen irgendwann überwunden werden und Religionen sich überhaupt (wenn auch sehr langsam) weiterentwickeln. Und wer sonst, wenn nicht die Kinder, sollte dazu in der Lage sein? Doch stattdessen regieren auch in vielen Kindereinrichtungen noch viel zu oft religiöse Indoktrination sowie vorauseilender Gehorsam.
Willkommen im Mittelalter.