Christliche Werte

Für viele Christen gelten die Zehn Gebote des Alten Testaments sowie die Bergpredigt selbst heute noch als Grundlagen eines gerechten und humanen Zusammen­lebens in einer modernen Gesellschaft. Die Bergpredigt gilt gar als „Juwel“ der Christenheit, als Inbegriff ethischer und moralischer Kompetenz. Doch sowohl die Predigt als auch die Gebote können die an sie gestellten Ansprüche in keinster Weise erfüllen. In vielerlei Hinsicht kann man sogar froh sein, daß die dort getroffenen Aussagen heute keine Rolle mehr spielen.

Die Zehn Gebote

Üblicherweise beginnt ein Regel- bzw. Gesetzes­werk mit den wichtigsten und bedeut­sams­ten Festlegungen, so beginnt z. B. das Grundgesetz Deutsch­lands mit der unan­tast­baren Würde und Gleich­berech­tigung eines jeden Menschen, unabhängig von Geschlecht oder Herkunft. Das erste Gebot der Bibel (nach katho­lischer Zählung, in anderen Glaubens­gemein­schaf­ten gibt es leichte Unterschiede) jedoch offenbart bereits die Eifersucht und den Absolut­heits­anspruch Gottes als alleiniger Wahrheit – die Grundlage religiöser Intoleranz ist damit gelegt. Auch die folgenden Gebote drehen sich einzig und allein um das korrekte, unterwürfige Verhalten gegenüber einem egoistischen Gott, der schon kleinste Vergehen mit drako­nischen Strafen bis hin zum Tod belegt. Von Ethik und Moral oder gar Menschen­rechten bislang keine Spur.

Das vierte Gebot fordert Respekt vor den Eltern, welcher zwar einerseits völlig normal ist, anderer­seits im Hinblick auf die Ent­stehungs­zeit der Bibel aber auch nicht überschätzt werden sollte – damals stand Eltern das Recht zu, ihr ungehor­sames Kind zu schlagen oder schlimmsten­falls gar zu töten. Auch Eltern haben den Respekt ihrer Kinder nicht einzufordern, sondern sich ehrlich zu verdienen.

„Du sollst nicht morden.“ – das fünfte Gebot ist rein wörtlich betrachtet eine absolute Selbst­verständ­lich­keit und gebietet sich einem jeden geistig gesunden Menschen schon von Natur aus. Religionen haben damit seit je her ein Problem, wurden und werden doch die meisten Menschen „im Namen Gottes“ ermordet. Auch im biblischen Kontext erweist es sich als tückisch, da es sich ausdrück­lich nur auf das Töten aus niederen Beweg­gründen sowie nur auf Angehörige des eigenen Volkes bezog. Das Töten Anders­gläubi­ger, z. B. in einem Krieg und somit in gemein­schaft­licher Überein­stimmung, war hiervon ausge­nommen – für eine moderne, zivilisierte und gerechte Gesell­schaft ein undenk­bares Verhalten.

Nummer sechs „Du sollst nicht ehebrechen.“ ist nicht minder proble­matisch. Noch heute gilt in vielen religiös geprägten Gesell­schaften die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau als etwas Gott­gege­benes und – zumindest für die betroffene Frau – Unauf­lös­bares. „Ehe­brecherin­nen“ (ein sehr schwam­miger Begriff, der gerne verschieden ausgelegt wird, i. d. R. zu Lasten der Frau) wurden und werden daher vielerorts noch immer auf das Schwerste bis hin zum Tod bestraft, während Männer in einem solchen Fall zumeist sehr glimpflich davon kommen bzw. gar ihr eigenes Vergehen der Frau anlasten können. Der Straf­tat­bestand des Ehebruchs ist in einer aufgeklärten Gesell­schaft daher vollkom­men inakzeptabel und ein über­kom­menes Relikt aus der Frühzeit der Zivilisation. Vor allem auch deshalb, da der Mensch schon von seiner Natur her gar nicht auf lebenslange Treue zu einem einzigen Partner angelegt ist und das gesamte Konzept der Ehe ein reines Phan­tasie­produkt ist, welches in weiten Teilen religiös geprägt ist. Natürlich oder gar „gottgegeben“ ist daran überhaupt nichts.

War die Ausbeute moralischer Grund­lagen aus den Zehn Geboten bislang recht dürftig bzw. gar nicht vorhanden, schimmert mit Nummer sieben „Du sollst nicht stehlen.“ endlich doch einmal so etwas wie Anstand und Respekt anderen Menschen gegenüber durch, wenn auch spät. Allerdings stellt sich die Frage, warum eine solch elementare Grundlage jeden mensch­lichen Zusam­men­lebens ausdrücklich in ein Gebot verpackt werden muß, denn jeder halbwegs intelli­gente Mensch käme da von selbst drauf.

Das Gebot Nummer acht wird gerne mit „Du sollst nicht lügen.“ übersetzt, was jedoch nicht zutreffend ist. Der ursprüng­liche Text bezieht sich nur auf vorsätzliche Falsch­aus­sagen vor Gericht und gilt wieder einmal nur für Angehörige des eigenen Volkes, nicht aber für jedermann.

Die beiden letzten Gebote schließlich verbieten das Begehren fremden Eigentums sowie jegliche Versuche, dieses in Besitz zu bringen. Dummer­weise werden hierbei auch Frauen praktisch zum Inventar gezählt – genau wie der Esel, das Rindvieh und die Klobürste gehören sie dem Manne.

Den Zehn Geboten fehlt letztlich alles, was die Christen gerne als ihre Erfindung ausgeben: Toleranz, Nächsten­liebe, Menschen­rechte, Gleich­berech­tigung – nichts davon findet sich in ihnen wieder. Die Gebote „spiegeln eine Gesellschaft wider, die, man möchte sagen, Gott sei Dank vorbei ist“ (Heinz-Werner Kubitza, Der Jesuswahn). Bei kritischer Betrachtung und mit sehr viel Wohlwollen bleiben bestenfalls drei Gebote übrig, die so einiger­maßen mit den Prinzipien einer frei­heit­lich-demo­kra­tischen Grund­ordnung zu vereinbaren sind. Der Rest ist, salopp gesagt, für die Tonne oder sogar verfas­sungs­feind­lich. Wer diese alten Texte trotzdem noch immer in Predigten und Sonntags­reden als Grundlagen von Ethik und Moral an seine leicht­gläubigen Zuhörer verkauft, hat sie offen­sicht­lich nicht gelesen bzw. einfach nicht verstanden.

Die Bergpredigt

Konnten schon die Zehn Gebote kinderleicht widerlegt und als zeitlich völlig überholt entlarvt werden, so sieht es mit dem vermeint­lichen moralischen „Juwel“ der Christen, der Bergpredigt, nicht viel besser aus. Auch deren Aussagen sind bestenfalls überflüssig, vielfach aber auch fragwürdig und bedenklich.

Abgesehen davon, daß bei zahlreichen Aussagen Jesu die historische Echtheit bezweifelt werden darf, widerspricht sich Jesus auch gerne mal selbst bzw. wirft seine eigenen Grundsätze über Bord. Von seiner gepredigten Fein­des­liebe bleibt nicht viel übrig, wenn er die Städte Anders­gläubi­ger meidet bzw. sogar verflucht und jedem, der ihm nicht nachfolgen will, ewige Höllenqual androht.

Statt armen Menschen Hilfe zu geben, ihr trauriges Leben zu verbessern, sich selbst zu helfen und gegen Unterdrücker zu wehren, vertröstet Jesus sie scheinheilig auf ein ver­meint­liches Leben nach dem Tode. Seine Aussagen zum Thema Ehebruch sind einfach nur als wirr zu bezeichnen, manche auch ganz klar frauen­feind­lich. War da nicht mal was mit Barm­herzig­keit? Galt wohl nicht für Frauen …

Kurz gesagt: Viele seiner Aussagen während der Bergpredigt sind nicht nur wider­sprüch­lich zu seinem übrigen Verhalten, sondern oftmals auch voll­kom­men nutzlos zum Erhalt eines friedlichen und mensch­lichen Zusam­men­lebens in einer Gesell­schaft. Die wenigen positiven, halbwegs sinnvollen Aussagen reichen bei weitem nicht aus, die Bergpredigt zu einer mora­lischen Grundlage zu erheben.

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