Halbwahrheiten

Von kirchlicher Seite wird oft behauptet, Kinder bräuchten Religion, um emotionale Stabilität zu erfahren und Werte vermittelt zu bekommen. Was für Werte das sein sollen, welche ausgerechnet die Kirche vermitteln will, bleibt offen – Ehrlichkeit, Toleranz, Gleich­berech­tigung und moralische Integrität werden es wohl kaum sein. Die gesell­schaft­lichen Maßstäbe für zivilisiertes, mensch­liches Zusam­men­leben entstammen nicht der Bibel, auch wenn die Kirchen diesen Anspruch gerne für sich reklamieren.

größeres Bild Kirchturm neben einer evangelischen Kita

Viele Kindertagesstätten in Deutschland stehen unter der Trägerschaft der katho­lischen oder evange­lischen Kirche. Ungeachtet der Tatsache, daß auch diese Kitas zum großen oder gar größten Teil vom Land bzw. der Kommune finanziert werden – und insbesondere auch die Kirchen selbst vom Staat mit zweistelligen Milliar­den­beträgen jährlich subven­tio­niert werden –, begründen die selbst­ernann­ten Vertreter Gottes damit ihren Anspruch, schon die kleinsten und damit natürlich am einfachsten zu mani­pulieren­den Mitglieder der Gesell­schaft an religiöses Gedankengut heranführen und ihnen Aspekte des Glaubens vermitteln zu müssen.

Vertreter der hohen Geistlichkeit machen keinen Hehl aus der Bedeutung von Kitas für Missio­nierung und früh­kind­liche Evange­lisie­rung: „Die wichtigsten insti­tutio­nellen Orte christ­licher Elemen­tar­bildung sind die kirch­lichen Kinder­tages­stätten.“, so Bischof Wolfgang Huber 2009, seinerzeit Rats­vorsit­zender der EKD. Huber weiter: „[…] bieten sich missio­narische Chancen für die christ­lichen Kinder­tages­stätten.“ Und der Vorsitzende des katho­lischen Boni­fatius­werkes, Erzbischof Hans-Josef Becker, stimmt fröhlich mit ein: „Hier findet […] ein wichtiger Beitrag zur Evange­lisierung statt, der nicht nur die heran­wachsen­den Kinder und Jugend­lichen betrifft, sondern ebenso das familiäre Umfeld.“

In solchen Einrich­tungen gehören daher Tisch­gebete und der wöchent­liche Besuch eines Kinder­gottes­dienstes zum festen Programm – früh­kind­liche Indok­tri­nation auf Kosten des Steuerzahlers.

Da stellt sich die grundsätz­liche Frage: Wozu? Die Antwort fällt leicht: Einzig und allein zum Wohle der Kirche! Denn je früher ein Mensch mit solchen Dingen behelligt wird, desto tiefer wird sich religiöses Gift in seinem Wesen und seinen Gedanken verankern und desto schwerer wird er später wieder davon loskommen. Die Kirche kann hier leicht ihre abstrusen Ansichten verbreiten und zukünftig auf weitere zahlende Schafe in ihren Gemeinden hoffen. Das Wohl der Kinder bleibt dabei klar auf der Strecke.

Was Kinder fürs Leben brauchen, lernen sie in erster Linie zu Hause und später in der Schule, keineswegs unter einem verherrlichten Folter- und Tötungs­instru­ment.

Ebenso werden die christlich geprägte Geschichte und Kultur unseres Landes bemüht, um früh­kind­liche Indok­tri­nation zu begründen. Dabei wird gerne unterschlagen, daß die christlichen Wurzeln Europas blutgetränkt sind dank spanischer und römischer Inquisition, Hexen- und Ketzer­verbren­nungen, Kreuz­zügen, dem Dreißig­jähri­gen Krieg und etlichen bis heute schwelenden lokalen Religions­konflikten. Das Christentum hat (nicht nur in Europa) in vielen Fällen einen Berg von Leichen hinterlassen. Auch wird gerne verschwiegen, daß die Kirche ihre frühere Macht natürlich nicht freiwillig aufgab, sondern daß vieles, was für uns heute als Freiheit und Errungen­schaft der Aufklärung selbst­verständlich ist, gegen den erbitterten Widerstand der Kirche erkämpft werden mußte. Der gesell­schaft­liche und moralische Fortschritt in Deutschland ist eben gerade nicht kirchlich geprägt, sondern ging ganz im Gegenteil einher mit einer Entrümpelung der Gesetze von ana­chronis­tischen, christlichen Hinter­lassen­schaften. Erst aus den ausgeschlagenen Fangzähnen der Religionen können wirklich frei­heit­liche, demo­kra­tische und zivilisierte Strukturen erwachsen.

Jegliche Kritik an den Missio­nierungs­absichten der Kirche wird generell damit gekontert, daß man einerseits nur etwas ablehnen könne, was man auch kenne und die Kinder später schließlich die freie Wahl hätten, das Angebot der Kirche anzunehmen oder nicht. Doch genau das ist nicht der Fall, denn eine freie Wahl haben diese Kinder eben nicht mehr; am aller­wenigsten diejenigen, die bereits im Säuglings- bzw. Klein­kind­alter unter Mißachtung ihrer Rechte von ihren Eltern zwangs­getauft wurden.

Die Kirche selbst tut natürlich alles, um ihren zukünftigen Schafen gegenüber in einem möglichst guten Licht dazustehen. In der Kinderkirche präsentiert diese Institution sich und ihren Aberglauben scheinheilig als etwas, das sie ganz und gar nicht ist. In vielen Texten der Kirche und somit auch den Liedern und Geschichten, welche die Pfarrerinnen und Pfarrer den Kindern vermitteln, werden Glaube und Kirche als etwas ganz Tolles dargestellt und unter­schwellig z. B. auch der sonn­tägliche Kirchgang von Kindern praktisch erwartet. Ihnen wird eingeredet, der liebe Gott bzw. Jesus Christus wäre immer bei ihnen, würde sie stets beschützen usw. Natürlich nur, wenn man auch immer brav seine Regeln befolgt, ihn lobpreist, am besten gar vor jedem Essen dafür dankt, daß sich der liebe Gott für einen beim Discounter an der Kasse angestellt hat usw. Und die Kleinen müssen all diesen Unsinn glauben, der ihnen erzählt wird, denn kritische Meinungen zur Religion werden sie wohl kaum hören.

Die Kirche hat hier allzu leichtes Spiel, in ihrem ganz eigenen Sinne schon frühzeitig Einfluß zu nehmen und den Kindern buchstäblich das Blaue vom Himmel herunter­zulügen, um sich brav zahlende Schafe heran­zuzüchten, die keine kritischen Fragen mehr stellen. Kleine Kinder sind aufgrund ihrer natürlichen Gutgläubig­keit eine leichte und nahezu wehrlose Beute für die kirch­lichen Giftnattern.

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