Von Himmel, Hölle und ewigem Leben
„Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“ – ganz ähnlich wie in der Märchenwelt Aschenputtels wird auch in den nicht minder seltsamen Märchenwelten der Religionen das Geschehen nach dem Tod eingeteilt in gut und schlecht: Während gottgefällige Menschen in das himmlische Paradies aufgenommen werden, warten auf alle anderen endlose Höllenqualen. Doch das vermeintlich ewige Leben ist nur ein von menschlichem Wunschdenken geprägter Mythos, denn nach dem Tod ist genau wie vor der Geburt – nichts.
Das Paradies
Nicht nur das Christentum, sondern auch der Islam und so manch anderer religiöse Aberglaube versprechen den Menschen nach ihrem Tod ein ewiges Leben im Paradies, dem „Reich Gottes“, wenn sie ihr irdisches Leben stets gottgefällig gelebt, reichlich gebetet und gehorsam wie ein Schaf die Gebote ihrer jeweiligen Heiligen Schrift befolgt haben. In einem Gefühl vollendeter Glückseligkeit in Gegenwart bedingungsloser Gottesliebe und umgeben von Engeln, Heiligen, geliebten Verwandten u.a. werde es ihnen im Paradies an nichts mangeln, heißt es. Ein Schlaraffenland.
Derartige Vorstellungen von einem vermeintlichen Leben nach dem Tod finden sich in fast allen Kulturen, denn der eigene Tod ist für viele Menschen – völlig unnötigerweise – noch immer etwas unheimliches und furchterregendes. Niemand kann sich dieses für alle Lebewesen unvermeidliche Ereignis wirklich vorstellen. Zudem liegt es in der Natur des Menschen, unangenehme Dinge auszublenden bzw. mit schöneren Vorstellungen und Phantasien zu überdecken. Doch so verständlich dieses Wunschdenken aus menschlicher Sicht auch sein mag – mit der Realität hat es nichts zu tun. Für ein Leben nach dem Tod gibt es aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht den geringsten Hinweis, dafür jedoch eine Menge Widersprüche. Beim Versuch, diese auszuräumen, reiten sich religiöse Gelehrte regelmäßig immer noch tiefer in den selbstgestrickten Schlamassel hinein.
So stellt sich z.B. die Frage, ob auch Tiere in den Himmel kommen können. Dies wird regelmäßig damit verneint, daß Tiere im Gegensatz zum Menschen keine Seele hätten. Aber was soll eine solche „Seele“ überhaupt sein? Und woher kommt sie? Wenn die Seele, so wie in religiösen Kreisen gerne behauptet wird, unsterblich ist, werden dann regelmäßig neue Seelen „erschaffen“ oder liegen irgendwo größere Mengen davon auf Halde, um neugeborene Menschen damit auszustatten? Welcher der zahlreichen Götter ist für die Verwaltung der Seelen zuständig? Oder hat jeder sein eigenes Paradies? Was ist mit Religionen, die weniger an ein Paradies, als vielmehr an eine Wiedergeburt glauben – werden deren Seelen recycelt, wenn der Betroffene als Tier, Kaktus oder Zahnbürste wiedergeboren wird? Und haben auch Atheisten eine Seele? Wenn ja, von wem? Von anderen Lebensformen wie Pflanzen, Pilzen, Mikroben etc. gar nicht erst anzufangen. Fragen über Fragen, die kein Religionsvertreter schlüssig beantworten kann, ohne dabei die menschliche Vernunft zu beleidigen.
Es ist auch erstaunlich, daß sämtliche Beschreibungen des jeweiligen Paradieses eine doch recht große Ähnlichkeit zu den Lebensumständen und den natürlichen Gegebenheiten hier auf der Erde haben, obwohl noch nie jemand ein solches Paradies gesehen geschweige denn von dort berichtet hat. Der Grund dafür liegt natürlich auf der Hand, denn all diese Vorstellungen entspringen allein der menschlichen Phantasie, und der Mensch gestaltet sich seine geistigen Wunderwelten eben nach den Maßstäben, die er kennt und nach den Wünschen, die ihn bewegen.
Diesen Wünschen liegt denn auch die Behauptung zugrunde, man wäre im Paradies bis in alle Ewigkeit von geliebten Menschen und Angehörigen umgeben. Ob dies jedoch tatsächlich so paradiesisch ist, sei mal dahingestellt. Jedes Kind, das elterliche Liebe und Zuneigung erfährt, wird diese Liebe auch erwidern und sich in Gegenwart der Eltern sicher und geborgen fühlen. Doch selbst die wichtigsten Menschen im eigenen Leben möchte man nicht stets und ständig um sich haben. Ebenso wie jeder andere Mensch braucht auch ein Kind mal Zeit für sich allein, um sich in seine eigene kleine Welt zurückziehen zu können. Bei den handelsüblichen Paradiesen scheinen solche privaten Rückzugsmöglichkeiten keine Rolle zu spielen. Doch wenn man sich bis in alle Ewigkeit ständig auf der Pelle hockt, kann bei aller Liebe ein vermeintliches Paradies auch schnell zur Hölle werden.
Die Hölle
Wo Licht ist, ist natürlich auch Schatten. Was wäre ein Märchenheld ohne bösewichtigen Gegenspieler und eine religiöse Welt ohne Drohkulisse, um die Gläubigen unter Kontrolle zu halten. Ohne die Möglichkeit drakonischer Strafen kann kein Herrscher seinen Willen durchsetzen, noch nicht mal ein Gott – wer würde ihn noch ernst nehmen?
So ist es kein Wunder, daß in vielen religiösen Vorstellungen als Gegenstück zum Paradies ein finsterer Ort voller Teufel und Dämonen existiert, in welchen nach jeweiliger Glaubensüberzeugung alle Übeltäter, alle Bösen und gerne auch mal direkt sämtliche Anhänger eines anderen Aberglaubens als des eigenen nach ihrem Tod hin verfrachtet werden. Natürlich ergeben sich auch hier ganz ähnliche Widersprüche wie schon zuvor beim Glauben an ein Paradies. Insbesondere müßten eigentlich ausnahmslos alle Menschen in die Hölle kommen, denn es reicht schon, wenn sich zwei Religionen wie z.B. das Christentum und der Islam gegenseitig die jeweils Anders- und somit Ungläubigen in die Hölle wegverdammen. Wer bleibt dann noch übrig? Niemand. Und wessen Hölle ist eigentlich heißer?
Abgesehen von solchen Logikproblemen (die für Gläubige natürlich keine sind) bringt der Glaube an eine Hölle aber auch ganz reales Unheil. Viele religiös erzogene Menschen haben selbst im Erwachsenenalter noch große Probleme damit, ihr eigenes Verhalten vor dem Hintergrund einer möglicherweise drohenden Höllenstrafe zu rechtfertigen bzw. sie fühlen sich schon wegen eines kleinen Ausrutschers zutiefst schuldig. Die durch die Kirche eingeredete Furcht vor eingeredeter Bestrafung für eingeredete „Sünden“ führt allzu oft noch immer dazu, daß Menschen in ständiger Angst leben und bei allem, was sie tun und sagen peinlichst darauf achten, möglichst keinen Fehler zu machen, der ihnen nach ihrem Tod angekreidet werden könnte. Diese vollkommen unsinnige, kirchlich verursachte Beeinträchtigung der eigenen Lebensqualität und Selbstbestimmung zu überwinden fällt vielen sehr schwer.
Noch schlimmer steht es um Kinder, denen im Falle von Ungehorsam direkt oder indirekt mit der Hölle gedroht wird – in erzkatholischen Familien und insbesondere Sekten sicherlich keine Seltenheit. Doch ein solcher geistiger Mißbrauch kann Menschen auf Lebenszeit traumatisieren. Wenn ein Kind den Tod eines Spielkameraden zwar betrauert, aber nicht wegen des tragischen Vorfalls an sich, sondern aufgrund der Möglichkeit, daß der beste Freund nun eventuell in der Hölle ewige Qualen erleiden muß, in geradezu panische Angst verfällt, dann zeigen sich die grausamen Seiten frühkindlicher religiöser Indoktrination besonders drastisch.
Da hilft es auch nicht mehr zu erklären, daß die Hölle wie auch das Paradies nichts weiter ist als eine kirchliche Festlegung, basierend auf rein menschlichen Phantasien. Und wie jedes Element des Glaubens kann auch die Hölle durch die kirchlichen Märchenerzähler jederzeit, einer weichen Knetmasse gleich, nach Belieben umgestaltet werden, zumindest solange es nicht als dogmatische Festlegung in geistigen Kalk gemeißelt ist. So galt z.B. lange Zeit die kirchliche Phantasie als Wahrheit, daß die Seelen von noch vor ihrer Taufe verstorbenen Kindern in eine Art Vorhölle, den Limbus, gelangen, da sie ohne eigenes Verschulden vom Himmel ausgeschlossen wären. Schon diese Vorstellung selbst ist vollkommen absurd, doch die gesamte Willkürlichkeit des Glaubens zeigt sich vor allem darin, daß die Vorhölle im Jahre 2007 kurzerhand geschlossen wurde und seitdem nicht mehr Bestandteil des kirchlichen Theaters ist.
Mit anderen Worten: Die Kirche erfindet sich all ihre Märchen selbst und legt seit 2000 Jahren willkürlich fest, an was ihre Anhänger zu glauben haben und an was nicht. Mit Wahrheit und dem realen Geschehen auf Erden hat das alles nichts zu tun, ganz im Gegenteil.
Nahtoderfahrungen
Im Zusammenhang mit der Vorstellung vom ewigen Leben taucht häufig das real existierende Phänomen der sogenannten Nahtoderfahrung (NTE) auf. Menschen, die aufgrund schwerer körperlicher Verletzungen an der Schwelle zum Tod stehen, berichten bisweilen von sehr außergewöhnlichen Erfahrungen während ihrer Bewußtlosigkeit. So erzählen sie von Begegnungen mit Jesus oder sogar Gott persönlich (nach christlicher Vorstellung eigentlich ein Widerspruch, gelten doch Gott und Jesus als ein einziges Wesen), treffen im Paradies längst verstorbene Angehörige und wähnen sich außerhalb ihres sterbenden Körpers. Nicht selten bekennen sich solche Menschen nach einem derartigen Erlebnis intensiv zu ihrem Gott und behaupten steif und fest, daß es ein Leben nach dem Tod gäbe – sie hätten es ja schließlich selbst gesehen.
Obwohl solche Berichte zwar höchst interessant und durchaus faszinierend sind, haben sie unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten jedoch nichts mit einem tatsächlichen Verlassen des Körpers oder gar einem göttlichen Paradies zu tun. Kurz gesagt: Es sind nichts weiter als Gaukeleien eines etwas außer Kontrolle geratenen Gehirns – ein reines Theater im Inneren des Kopfes. Das zeigt sich besonders deutlich daran, daß die gesehenen Bilder regelmäßig mit der eigenen Sozialisation und religiösen Konditionierung übereinstimmen, d.h. sie entstammen stets den im eigenen Gehirn gespeicherten Erinnerungen und Erlebnissen. Wer mit dem Glauben an Jesus und Engel aufgewachsen ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit während einer NTE diesen auch begegnen. Wer hingegen im hinduistischen Glauben aufgewachsen ist, wird vermutlich eher vielarmige Rüsselwesen sehen. Und ein überzeugter Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters könnte sich während einer NTE durchaus vor einem großen Topf mit Nudeln sitzend wiederfinden.
Auch andere Dinge, manchmal nur winzige Kleinigkeiten, können auf den Betroffenen einen großen Eindruck ausüben, werden jedoch oft genug falsch gedeutet. So berichtete einmal eine Frau, daß sie während ihrer Nahtoderfahrung ihren Großeltern begegnet sei, die sie im Leben nie zuvor persönlich gesehen hatte, sondern lediglich von einem Foto her kannte. Daß die beiden in ihrem Erlebnis genau so aussahen wie auf dem Bild, wertete die Frau als Bestätigung dafür, daß sie sich tatsächlich und real im Paradies befand und persönlich mit ihren Großeltern sprechen konnte. Doch diese Schlußfolgerung ist falsch. Richtig ist vielmehr, daß die Menschen in ihrem Traum so aussahen, weil sie zuvor das Foto gesehen und dieses entsprechend im Kopf abgespeichert worden war. Aus dieser einzigen bildhaften Erinnerung erzeugte ihr Gehirn die Illusion, sie würde tatsächlich ihren Großeltern gegenüberstehen. Wäre das Foto während der Karnevalszeit entstanden, die Oma womöglich mit quietschbunter Perücke und der Opa im Schottenrock – die beiden wären mit großer Wahrscheinlichkeit auch genauso in der NTE der Enkelin aufgetaucht.
In vielen Berichten heißt es, daß die betreffende Person trotz ihrer Bewußtlosigkeit Details aus ihrer unmittelbaren Umgebung wahrgenommen hat wie z.B. Geräusche und Gespräche der anwesenden Ärzte. Das ist nicht verwunderlich, denn einerseits nimmt auch ein bewußtloses Gehirn nach wie vor Reize aus der Umgebung wahr; auch Patienten, die in einem tiefen Koma liegen, reagieren oft auf Ansprechen und Berührungen. Andererseits können solch sonderbare und scheinbar außerkörperliche Erfahrungen auch auftreten, wenn der Patient vor einer anstehenden Operation unter Narkose gesetzt wird, diese aber noch nicht vollständig wirkt. In diesem Dämmerzustand zwischen wachen und schlafen, vermischt mit aufgenommen Reizen aus der Umgebung, kann sich das Gehirn leicht die sonderbarsten Dinge zusammenspinnen. Aber stets sind es Vorgänge, die sich allein im Inneren des Kopfes und unter meßbarer neuronaler Aktivität abspielen.
Es gibt bislang keine Hinweise darauf, daß sich Nahtoderfahrungen ereignen, während das Gehirn tatsächlich inaktiv und somit faktisch tot ist. Entsprechende Berichte konnten im Nachhinein klar widerlegt werden: Wenn eine NTE unter Laborbedingungen stattfand, dann zeigten die angeschlossenen Meßgeräte währenddessen auch stets eine Aktivität des Gehirns. Genausowenig konnte bisher nachgewiesen werden, daß die Betroffenen ihren eigenen Körper tatsächlich verlassen hätten. Die „außerkörperliche Seele“ hätte während ihres „Fluges“ Bereiche des Raumes sehen müssen, welche von der Liege oder dem Operationstisch aus nicht einzusehen sind. Bislang hat jedoch kein einziges Experiment hierfür eine Bestätigung erbracht.
Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist das Konzept einer vom Körper getrennt existierenden Seele somit ein reiner Mythos. Der Mensch lebt nur, solange wie der Körper lebt. Stirbt der Körper, stirbt auch das Bewußtsein. Nach dem Tod ist wie vor der Geburt – nichts. Damit erübrigt sich auch die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod, denn wie für alle Lebewesen ist auch für den Menschen der Tod etwas endgültiges und unausweichliches. So ist der Lauf der Natur.
Doch gerade wegen der Einzigartigkeit und Einmaligkeit unseres irdischen Lebens hier und jetzt in der realen Welt sollten wir dieses eine Leben auch nutzen und es im Zusammensein mit anderen Menschen genießen, statt es sinnlos zu vergeuden mit dem Anbeten jahrtausendealter, der menschlichen Phantasie entsprungener Gespenster in der irrigen Hoffnung, diese für ein vermeintlich ewiges Leben nach dem Tod milde stimmen zu können.