Der heilige Martin
Jedes Jahr am 11. November wird in vielen Regionen mit Umzügen und Bräuchen der Martinstag zu Ehren des Heiligen Martin von Tours gefeiert. Viele Kindergärten veranstalten Laternen- und Fackelumzüge mit selbstgebastelten Lampions, an zahlreichen Orten werden Martinsgänse als Festessen verspeist. Und natürlich darf auch die rührende Geschichte rund um Martin selbst und die angebliche Teilung seines Mantels mit einem Obdachlosen nicht fehlen.
Wieviele dieser Legenden auf einem wahren Hintergrund beruhen, ist fragwürdig. Daß vieles daran märchenbehaftet ist, zeigt schon seine Verehrung als Heiliger durch die Kirche – für eine solche Heiligsprechung sind praktisch immer von der jeweiligen Person angeblich vollbrachte und von der Kirche als solche anerkannte „Wunder“ erforderlich, die es so in der realen Welt jedoch nicht gibt.
Historisch gesichert ist die Persönlichkeit des Martin von Tours, der von 371–397 u. Z. dritter Bischof von Tours (Frankreich) war und durch seine Güte bei der Bevölkerung sehr beliebt war. Doch viele der ihm zugeschriebenen Taten oder gar Wunder entstanden nachweislich erst viele Jahre nach seinem Tod, so ist z. B. die Geschichte mit den verräterischen Gänsen eine reine Legende, ebenso wie seine angeblichen Wunderheilungen. Der geteilte Mantel ist zumindest zweifelhaft.
Auch die oft gepriesene Barmherzigkeit bekommt spätestens mit seiner Amtszeit als Bischof so manchen tiefen Kratzer, da er z. B. Kultstätten und Tempel Andersgläubiger rücksichtslos zerstören ließ, um uneingeschränkt seinen eigenen Glauben verbreiten zu können. Auch ist es wahrscheinlich, daß er zahlreiche Sklaven für sich arbeiten ließ, wie es damals durchaus üblich war. Barmherzig ist das nicht.
Gegen Laternenumzüge, Martinsfeuer usw. ist natürlich nichts einzuwenden, sind diese Dinge doch gerade für Kinder ein großer Spaß. Aber die Lobhudeleien und Verehrungen sollten etwas ins rechte Licht gerückt werden, denn so gütig oder gar „heilig“, wie die Kirche gerne behauptet, war dieser Martin ganz sicher nicht.